Montag, 19. September 2011

Fr, 29.07.2011 · Navarrete - Azofra





Heute war ich so gut wie den ganzen Tag allein, aber nicht einsam. Ich bin vergleichsweise früh los (6:45 Uhr) und mein Knie hat, bis auf ein bisschen Ziehen am Anfang, so gut wie gar nicht geschmerzt. Irgendwie gedrückt schon, aber der stechende Schmerz blieb aus und das war einfach nur toll. Ich bin wesentlich schneller gelaufen als die letzten Tage (ca. 4km/h) und konnte meine Pausen wunderwar frei gestalten. Nicht, das ich das mit Wandergesellschaft nicht konnte, aber so ganz allein ist es doch irgendwie nochmal etwas anderes.
In Ventosa gab´s eine schöne Frühstückspause und in Nájera (wo ich auch ENDLICH meine Postkarten aus Logroño einstecken konnte) hab ich mich am Ortsende auf eine Wiese mit meiner Isomatte gelegt (ihr erster Einsatz übrigens) und ´ne halbe Stunde Siesta gehalten. Meine Füsse haben´s mir gedankt und so konnte ich mit genug Energie weiterlaufen.
die Jakobsmuschel findet man überall

Die war zwar auch auch ganz schnell wieder weg, denn einmal Fussschmerzen, dann auch ganz bald wieder Fussschmerzen, aber Azofra und damit mein Tagesziel war bald erreicht. Ich bin hier nun in der Gemeindeherberge und komme mir ein wenig wie im Hotel vor. Die Anlage ist neu, sehr modern und alles 2-Bett-Zimmer! Was für ein Luxus! Und unten auf der Terrasse ist ein kleiner Mini-Pool mit ziemlich kaltem Wasser, das meinen Füssen nach all dem Laufen enorm gut getan hat.
Pause...!
Mein Tageshighlight war dann wenig später. Während ich meinen Tagebucheintrag für gestern schrieb, sprach mich ein älterer Herr (75 Jahre alt) an, ob wir uns nicht ein wenig unterhalten könnten. An seiner Brust hatte er einen Anstecker in Form des gelben Wegweiserpfeils, der mich diese vielen Kilometer schon begleitet hat. Und wie ich es mir schon dachte, ist er Hospitalero einer Albergue, jedoch in Santo Domingo de la Calzada, wo er 2h am Tag etwas aushilft.
Siesta im Park am Ortsende von Nájera
Im Gespräch erzählte er mir dann, dass er jeden Tag ein Stück des Weges mit Pilgern läuft und auch oft in diese Albergue hier komm um mit Leuten aus aller Welt seine Sprachkenntnisse aufzufrischen. Und diese sind wirklich unglaublich: Spanisch als Muttersprache, Deutsch fliessend (6 Jahre in den 60ern in Nürnberg gearbeitet), Französisch fliessend (immer wieder ein bisschen und dann mit 67 Jahren nochmal an der Sprachschule richtig gelernt), Italienisch ausreichend für Konversationen und letztes Jahr mit 74 Jahren hat er dann mit Englisch angefangen! Wow!
Wir haben uns dann immer wieder mal auf Spanisch, mal Deutsch und mal auf Englisch unterhalten - über den Camino, unsere Reiseerfahrungen, über alles mögliche. Es war wirklich toll. Dieser Mann hat mich wirklich beeindruckt. In hohem alter so geistig wie körperlich fit zu sein, so offen und neugierig für alles Neue und Unbekannte, das habe ich nicht oft bei Leuten seiner Generation gesehen

auf dem Weg nach Azofra
Er hat mir seine Adresse gegeben, damit ich ihm irgendwann, wenn ich möchte, einmal etwas schreiben kann. Er sammelt nämlich Geschichten vom Camino und gibt daher jedem seiner Konversationspartner sene Adresse, sodass wir ihm irgendwann nach unserer Reise vielleicht eine unserer Erfahrungen schicken können. Er hätte schon eine von jemandem aus Südafrika, aus Frankreich und was weiss ich, aber nun hätte er mit mir auch gerne mal eine Story von einem jüngeren Menschen. Ich hoffe, dass ich am Ende etwas auf Lager haben werde, denn solch einer Sammlung würde ich gern bei der Erweiterung helfen.
Irgendwann, wenn sie etwas mehr Gestalt und Fülle annimmt, würde er mir die gesammelten Geschichten auch schicken. Das wär toll. Na, mal sehen. :)

Luxus!!!
Auf jeden Fall war dies einer der beeindruckendsten Persönlichkeiten, die ich bisher auf dem Camino getroffen habe. Und ich hab´s diesmal sogar geschafft, es ihm ansatzweise zu sagen. so viel zu meinem Komplimente-Ziel... Ich konnte ihm zwar nur sagen, dass ich ihn sehr beeindruckend finde und hab ihm vielmals für dieses Gespräch gedankt, aber dass er DER beeindruckendste war leider nicht. Hm, ich muss wirklich dran arbeiten!
Morgen, in der Albergue von Santo Domingo will ich eine kleine Karte mit einem Gruss an ihn hinterlassen. Dann kann ich ja darauf wenigsten schreiben, was ich denke. Das wär ja schonmal ein Anfang.

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